Mittwoch, 13. Mai 2015

Revision abgewiesen: Urteil gegen Ibrahim B. ist rechtskräftig

Rechtsanwältin Peterhanwahr hatte gegen das Urteil vom Landgericht Bielefeld Revision eingelegt, da sie die lebenslange Freiheitsstrafe für nicht schuld- und tatangemessen hielt. Dem Revisionsantrag erteilte der Bundesgerichtshof nun eine klare Absage:

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat die Revision nach Prüfung NICHT zugelassen. Somit ist das Urteil gegen Ibrahim B. rechtskräftig.

Wann das Verfahren vor dem Landgericht Hildesheim gegen B. wegen dem Mord an Jenisa Muja eröffnet wird ist indes noch nicht bekannt. Ich werde an dieser Stelle berichten, wenn es Neuigkeiten gibt.

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Prozess-Nachlese - oder: ein persönlicher Kommentar

Heute wurde Ibrahim B. wegen Mordes und vorsätzlicher Körperverletzung am damals fünfjährigen Dano zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Somit endet nach fünf langen Verhandlungstagen ein von Emotionen geprägter Mordprozess, den ich -nach Abschluss meiner offiziellen, journalistischen Berichterstattung- nun aus höchsteigener, persönlicher Sicht kommentieren möchte. 

Als Dano verschwand fiel mein Verdacht sehr schnell auf Ibrahim B., denn bereits im Jahre 2011 hatte ich ihn im ungeklärten Fall der Jenisa Muja im Fokus. Ich wurde damals gebeten, mich mit dem Fall journalistisch zu beschäftigen und kam nach umfangreichen Recherchen zu dem Ergebnis, dass durch öffentlichen Druck der Medien ein Wiederaufnahmeverfahren gegen B. erzwungen werden müsse. Trotz massiver Medienberichterstattung lehnte das Oberlandesgericht Celle dennoch ein Wiederaufnahmeverfahren gegen B. ab. Die Beweislage im Falle Jenisa reiche nicht aus um B. einer Straftat gegen Jenisa überführen zu können. Bis heute ist mir diese Entscheidung, die es in unserem Rechtsstaat nun einmal zu respektieren gilt, suspekt. Zugegeben: zum damaligen Zeitpunkt gab es keine Leiche. Aber: man hätte aus meiner Sicht auch eine simple Kindesentziehung anklagen können um dann zu schauen, was sich im Rahmen einer Beweisaufnahme ergeben würde. Natürlich bin ich kein Jurist, aber es war ja nun beileibe nicht so, als hätte es keine konkreten Verdachtsmomente, Spuren sowie subjektive und objektive Tatbestandsmerkale gegeben. Ich bin auch heute noch überzeugt davon, dass ein Wiederaufnahmeverfahren im Laufe des Prozesses weitere Beweise geliefert hätte die für eine Verurteilung B.´s gereicht hätten um ihn "aus dem Verkehr zu ziehen".

Prozessbericht vom 22.10.2014 - Das Urteil

Im Namen des Volkes wurde heute gegen 13.00 Uhr Ibrahim B. vom Schwurgericht des Landgerichts Bielefeld wegen Mordes und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

In der sehr ausführlichen Urteilsbegründung betonte der Vorsitzende Richter Korte, das Urteil fuße nicht auf den Aussagen der beiden Mithäftlingen, sondern auf dem ursprünglichen Geständnis B.´s, welches er seinerzeit bei der Polizei ablegte. Die Aussagen der beiden Mithäftlinge seien in gewissem Maße möglicherweise wahr aber in einigen Punkten unschlüssig, so dass eine sichere Glaubwürdigkeit nicht gegeben sei und daher im heutigen Urteil keine Berücksichtigung fanden.

Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass B. Dano aus Frust und Zorn ermordet habe. Die Version von B., er habe Danos Kopf an das Gestell des Trolleys gezurrt, sei unglaubwürdig. Vielmehr habe er ihn nach den schweren Schlägen ins Gesicht erdrosselt. Ziel der Schläge sei nicht gewesen, ihn zu beruhigen, sondern ihn zu ermorden. Der Vorgang des Erdrosseln habe laut Gerichtsmedizin mindestens eine, ehr zwei Minuten gedauert. Daraus ergäbe sich der klare Tötungswille. Auch sei es abwägig, dass er ernsthaft ein Nachbarskind in die Wohnung hole, während er mit seiner Lebensgefährtin am Telefon gestritten habe.

Das Abreagieren aus Wut an körperlich unterlegenen Personen passe zur Persönlichkeit des B., wie sich auch aus der Beurteilung des psychologischen Sachverständigen ergeben würde.

B. war danach wegen Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu verurteilen. Es habe sich um eine vorsätzliche Tötung aus niederem Beweggrund gehandelt.

Nach Verlesung des Urteils erging noch der Beschluss, das der bestehende Haftbefehl wegen Fluchtgefahr  aufrechterhalten wird. Es sei zu erwarten, dass B., der in Deutschland keine Bezugspersonen und Bindungen mehr habe, flüchten würde, um sich der Strafvollstreckung zu entziehen. Der Gegenseite wurde mitgeteilt, dass gegen dieses Urteil das Rechtsmittel der Revision möglich wäre, welche binnen einer Woche eingelegt werden müsse.

Danos Vater, der zusammen mit seiner Frau das Urteil gefasst aufgenommen hatte, schleuderte nun den Schuh seiner Frau in Richtung B., verfehlte ihn und traf stattdessen eine Justizbeamtin am Rücken und verletzte sie leicht. In manchen Kulturkreisen gelten Schuhe als unrein, müssen z.B. beim Betreten einer Moschee ausgezogen werden. Das Zeigen der Schuhsohle gilt bereits als Beleidigung, der Wurf mit dem Schuh ist die schärfste Form der Verachtung.

B.´s Verteidigerin Peterhanwahr erklärte auf Nachfrage von RTL, sie werde Revision gegen das Urteil einlegen. Sie halte die lebenslange Haftstrafe für nicht schuld- und tatangemessen.

Die Vertreterin der Nebenklage, Magarethe Bökenkamp, zeigte sich hingegen mit dem Urteil zufrieden. Ihre Mandanten seien gefasst gewesen und würden auch weiterhin psychologisch betreut werden.

Der Pressesprecher des Landgericht Bielefeld Eisenberg wollte sich zu der Frage, ob im ausstehenden Jenisa-Prozess gegen B. im Falle einer Verurteilung die anschließende Sicherheitsverwahrung in Betracht käme nicht äussern. Man werde sich zu gegebener Zeit damit zu beschäftigen haben.

Montag, 20. Oktober 2014

Prozessbericht vom 20.10.2014

Zunächst wurden heute der Polizeibeamte Jürgen B. (52) in den Zeugenstand gerufen und zu den Details der angeordneten Observation des Ibrahim B. befragt. Er war der Verantwortliche der Suchmaßnahmen und teilte mit, dass es bis zum 17.03.2014 keine Observationsmaßnahmen gegeben habe.

Als nächstes wurde Klaus B. (49), Kriminaldirektor der Polizei Bielefeld, zu den Details der von ihm überwachten Observation durch Spezialkräfte angehört. Er teilte mit, dass die verdeckte Observation vom 17.03.2014, 14.30 Uhr bis zum 18.03.2014, 14.47 Uhr durch den Einsatz von 6-8 Observationskräften aus Münster stattgefunden habe. Ibrahim B. befand sich demnach in der Herforder Innenstadt, besuchte unter anderem eine Spielhalle und erledigte Einkäufe in einem Supermarkt. Er sei dann zu einer Schrebergartensiedlung an der Werre, später dann zu einer nahegelegenen Tankstelle und von dort zu Fuß in Richtung Bielefeld gegangen.  Am 18.03.2014 sei er in der Zeit von 06.30 bis 15.17 Uhr observiert und dabei beobachtet worden, wie er zu Fuß nach Bielefeld zunächst in die Innenstadt ging. Auf der Herforder Straße sei dann der Zugriff erfolgt und die Observation damit beendet worden.

Auf die Nachfrage von Ibrahim B.´s Verteidigerin bezüglich detaillerierter Informationen zum Observationsgeschehen, dem Vorgehen und Verhalten der Observanten machte Kriminaldirektor B. aus Sicherheitsgründen keine weiteren Angaben.

Es wurden nun die Eintragungen aus dem Bundeszentralregister B.´s verlesen:

1995: Gemeinsamer Diebstahl in besonders schwerem Fall - 1 Jahr Haft auf Bewährung
1999: Unbefugter Gebrauch von KFZ, Hausfriedensbruch - Geldstrafe
2002: Betrug - Geldstrafe
2004: Betrug - Geldstrafe
2005: Gefährliche Körperverletzung, Fahren ohne Fahrerlaubnis - Geldstrafe
2007: Urkundenfälschung, Missbrauch von Papieren - Geldstrafe
2007: Vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Betrug - 8 Monate Haft auf Bewährung
2008: Diebstahl - Geldstrafe
2010: Körperverletzung - Bewährungswiderruf
2010: Fahren ohne Fahrerlaubnis - Geldstrafe
2010: Sachbeschädigung - Geldstrafe
2011: Erschleichen von Leistungen - Geldstrafe
2012: Diebstahl - 2 Monate Haft auf Bewährung

Zu manchen Eintragungen wurden die Gerichtsakten hinzugezogen und teilweise verlesen. So zum Beispiel zu einem Körperverletzungsdelikt, welches am 15.07.2009 begangen wurde: Es kam in der Wohnung des B. zu einer heftigen Auseinandersetzung, in dem B. zunächst seiner Lebensgefährtin M. einen Schlag mit der Faust ins Gesicht zusetzte. Als ihre Schwester Sadete, die sich zusammen mit B.´s erst 16 Tage altem Baby auf dem Arm ebenfalls in der Wohnung aufhielt, eingreifen wollte, zog er diese an den Haaren in den Wohnungsflur, schlug sie mit dem Kopf gegen die Wand, setzte ihr Schläge und Tritte zu und würgte sie. Durch diese massiven Handlungen wurde dem Säugling, den Sadete M. noch im Arm hielt, der rechte Unterschenkel gebrochen. B. habe daraufhin die Wohnung verlassen und sei erst am nächsten Tag wieder heimgekehrt. Bei seiner polizeilichen Vernehmung gab B. später an, eines seiner anderen Kinder habe den Säugling getreten und so den Bruch verursacht.

Die Staatsanwältin bat, nachdem dieser Themenkomplex abgearbeitet war darum, einen richterlichen  Hinweis mit in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen: als mögliche Tat käme auch die Störung der Totenruhe in Betracht, sofern die sexuelle Motivation zur vorsätzlichen Tötung Danos geführt haben könnte. Ebenfalls könne das Tatmotiv Rache erfüllt sein. Der Vorsitzende Richter Korte nahm diesen richterlichen Hinweis in das Protokoll auf.

Nun wurde der sachverständige Psychologe, Dr. Leygraf (61) angehört. Er sollte beurteilen, ob B. zum Zeitpunkt der Tat schuldfähig war. Der Sachverständige teilte zunächst mit, dass eine konkrete Beurteilung schwierig sei, da sich B. während des Prozesses nicht geäussert habe. So kann er nur das beurteilen, was sich aus den Schriftsätzen wie z.B. seiner Vernehmung ergibt.

B. habe jederzeit den Überblick über die Situation gehabt und ein funktionales Verhalten an den Tag gelegt. Es gäbe keinerlei Hinweise auf toxische Erkrankungen oder psychische Auffälligkeiten. Eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung bei der Tat habe nicht vorgelegen. Er habe eine durchgehende Erinnerung an das Tat- und Nachtatgeschehen. Eine geistige oder sexuelle Störung läge nicht vor. Er habe eine dissozial geprägte Persönlichkeit und sei voll schuldfähig.

Nach dieser Schilderung wurde der Sachverständige Leygraf aus dem Zeugenstand entlassen und die Staatsanwältin hielt ihr Plädoyer:

Es gäbe drei Versionen der Tat. Die Staatsanwaltschaft hat keine Zweifel an der Version, der von den beiden Mithäftlingen geschildert wurde aufgrund des Detailwissens, die in diesem von B. unterschriebenen Geständnisses in weitem Umfang vorhanden wäre. Sie hält es für völlig unglaubwürdig, dass B. Danos Kopf an das Gestell des Trolleys mit dem Kabel geschnürt haben will, vielmehr war B.´s Ziel, ein Kind zu töten, damit die Erwachsenen ein Leben lang darunter leiden sollten. Dies sei der niederste nur denkbare Beweggrund, der sich im Laufe der Jahre zur Ablehnung einer ganzen Volksgruppe gesteigert habe. "Sowas nennt man Rassenhass" führte die Staatsanwältin weiter aus. B. sei voll schuldfähig - und daher plädiere sie auf Mord aus niederen Beweggründen ohne besondere Schuld. Diese sei aus prozessualer Sicht nicht zu begründen. Strafmaß: Lebenslänglich!

Die Vertreterin der Nebenklage schließt sich den Ausführungen der Staatsanwaltschaft an. Man habe zunächst große Bedenken gegen die beiden Mithäftlinge gehabt, sei nun aber von der Glaubwürdigkeit beider Zeugen überzeugt. Sie haben gut strukturierte Erklärungen abgegeben und auch die offensichtlichen Emotionen bei den Schilderungen seien glaubwürdig gewesen.

Der Vorsitzende erteilte nun Danos Vater das Wort. Dieser sprach B. direkt an: "Unsere Kinder haben gespielt wie Brüder. Was können wir dafür, wenn ihr euch streitet? Wir sind keine Menschen mehr, wir sind tot. Wie konntest du uns das antun?". An das Gericht gewandt: "Ich bitte ihn jetzt sofort freizulassen, ich warte keine 10 oder 15 Jahre. Ich brauche mit ihm nur 2 Minuten!".

Danos Mutter ergriff nun ebenfalls das Wort und wandte sich direkt an B.: "Ich verstehe nicht, was in deinem Kopf los war. Ich hatte sogar Respekt vor dir, wenn wir uns zufällig am Kinderspielplatz gesehen haben und den Kopf gesenkt, wenn wir Hallo zueinander sagten. Kannst du dir vorstellen, wie das ist? Mein kleiner Sohn fragt mich täglich nach Dano. Wann er wiederkommen würde oder ob er im Himmel sei."

Jetzt sollte die Verhandlung für 5 Minuten unterbrochen werden. Als B. aufstand und von den Bediensteten in den Verweilraum geführt werden sollte schleuderte ein Familienmitglied aus der Zuschauermenge heraus offenbar ein Feuerzeug mit voller Wucht gen Bakir und verfehlte ihn nur knapp. Der laute Aufprall des Feuerzeuges auf die Holzvertäfelung ließ zunächst auf einen Schuss schließen, was sich jedoch glücklicherweise als falsch herausstellte.

Nach der kurzen Verhandlungsunterbrechnung hielt nun die Verteidigerin von B., Rechtsanwältin Peterhanwahr, ihr Plädoyer:

Sie räumte zunächst ein, dass dies ein von hohen Emotionen geprägter Prozess sei, von denen man sich formal betrachtet frei machen müsse. Von den drei möglichen Tatversionen sei die ihres Mandanten die einzig Plausible. Die Zeugen K. und H., die Mithäftlinge also, seien absolut unglaubwürdig und hätten sich das Vertrauen ihres Mandanten in einer Streßsituation erschlichen. Die Schutzbedürftigkeit ihres Mandanten sei schamlos ausgenutzt worden, das von B. unterschriebene Geständnis eine glatte Lüge. Es seien schlichtweg "hanebüchene Geschichten" gewesen - und plädierte auf Körperverletzung mit Todesfolge und machte deutlich, dass sie weder Mordmerkmale noch niedere Beweggründe erkennen könne. Bezüglich des Strafmaßes bat sie das Gericht um eine gerechte Strafe.

Damit endete heute gegen 12.20 Uhr der vierte Prozesstag. Am kommenden Mittwoch, 13.00 Uhr, wird das Urteil erwartet.

Donnerstag, 16. Oktober 2014

Prozessbericht vom 16.10.2014

Der heutige Prozesstag begann mit einem Beweisantrag von B.´s Verteidigerin: diese wünscht die Observationskräfte der Polizei zu laden, da sie bezüglich Art und Umfang der Observation B.´s Rückfragen habe, die bislang im Prozess noch nicht erschöpfend beantwortet werden konnten. Nach kurzer Beratung wies die Kammer die Antragstellerin darauf hin, dass man das heute nicht entscheiden wolle, der Tenor aber eher in die Richtung geht, den Antrag wegen fehlender Relevanz abzulehnen. Am nächsten Verhandlungstag soll darüber endgültig entschieden werden.

Nun wurde der erste Zeuge in den Gerichtssaal gebeten. Es handelt sich um Herrn K., einem Mithäftling von B., dem er seine Taten ausführlich schilderte. K. wurde in Handschellen in den Gerichtssaal geführt. Der 34Jährige sitzt derzeit in der JVA Geldern in Haft, zuvor war er, wie B., im Block 6 der JVA Bielefeld einsässig.

K. schilderte, dass er B. Ende April 2014 in der JVA kennengelernt habe. Er sei auf ihn aufmerksam geworden, als er in einem TV-Bericht vom Mordfall Dano erfuhr, in dem auch ein Bild von B. gezeigt wurde. Zusammen mit einem befreundeten Mithäftling H., der später noch gehört werden sollte, schmiedeten die beiden Mitgefangenen den Plan, B.´s Vertrauen zu erschleichen um den Mordfall Jenisa aufzuklären. B. war damals der Hauptverdächtige und einige Wochen in Untersuchungshaft, musste aber mangels Beweisen wieder auf freien Fuß gesetzt werden. K. sei auch Familienvater und betonte wie schrecklich es wohl sein müsse, mit der Ungewissheit um den Verbleib des eigenen Kindes leben zu müssen. Weiterhin versprach er sich eine Haftverschonung für den Fall der Aufklärung.

K. legte sich zusammen mit dem H. folgenden Plan zurecht: zunächst wollten sie B. vor weiteren Mithäftlingen schützen, da Kindermörder im Gefängnis den schwersten Stand hätten und Übergriffe nicht auszuschließen seien. Tatsächlich wurde B. vom Zellentrakt aus von anderen Mithäftlingen verbal bedroht. So sollen welche geschrien haben: "Häng dich auf!", "Mach dich weg!" oder auch: "Wir kriegen dich!". Den angebotenen Schutz konnten K. und H. gewährleisten, da sie zuvor andere Mitinsassen in ihre Pläne eingeweiht haben wollen, B. der Justiz "ans Messer zu liefern" für den Mord an Jenisa.

Sie gaben sich als skrupellose, kriminelle Organhändler aus, die beste Kontakte zu korrupten Rechtsanwälten hätten. Sie hätten weiterhin die Möglichkeit, mögliche DNA-Spuren verschwinden zu lassen, da gute Kontakte zum LKA bestünden. Auch wären sie in der Lage, Jenisas Leiche verschwinden zu lassen. Als Organhändler sei das normale Praxis, dafür habe man so seine Leute. Ein Star-Anwalt stände ebenfalls bereit, um ihn aus dem Verfahren um Dano "herauszuboxen". Es wäre aber sehr wichtig, dass Jenisas Leiche verschwinden müsse. Und die beiden könnten nur ihre "Maschinerie in Gang bringen", wenn B. vollumfänglich alle Details erzählt. Nur dann würde der Star-Anwalt aktiv werden können.

B. fing an, den beiden Mithäftlingen zu vertrauen und wurde langsam aber sicher redseelig. Er schildere K. und H. den Mord an Dano nun aus seiner Sichtweise. Er habe am Tattag mit seiner ehemaligen Lebensgefährtin M. gegen 15.00 Uhr telefoniert und sich mal wieder mit ihr gestritten. Nach diesem Telefonat sei er wütend und aufgeregt gewesen. Zufällig habe er Dano vor dem Haus erblickt, ihn vom Balkon aus angesprochen und gefragt, ob er nicht mit seinem Sohn spielen wolle. Dano bejahte und B. zog ihn über den fast ebenerdigen Balkon herüber in die Wohnung. Hier machte er ihm den Fernseher an und erneut telefonierte er mit der M.. Wieder kippte die Stimmung und das Telefonat wurde beendet. B. sei nun noch wütender gewesen, während Dano offenbar festgestellt hat, dass sein Spielkamerad gar nicht in der Wohnung war. Dano sei nun frech geworden und habe ihn vor das Schienenbein getreten. B. habe ihm daraufhin eine wuchtige Ohrfeige versetzt, so dass Dano stürzte. Nun habe er Dano in das Schlafzimmer gezerrt, ihn in mehrere Bettlaken eingewickelt, das Antennenkabel des Fernsehers im Wohnzimmer aus der Wand gerissen und ihn damit im Wohnzimmer erdrosselt. Zuvor habe er ihm mehrere Schläge mit der Faust ins durch die Bettlaken bedeckte Gesicht und auch Tritte gegen den Kopf zugefügt. Als Dano sich nicht mehr regte und offenbar tot war habe er ihn ausgezogen um ihn anal zu penetrieren. Das habe aber nicht geklappt. Sein Penis sei nur mit der Eichel im Anus von Dano gewesen, dann habe er bereits einen Orgasmus bekommen und das Ejakulat auf den Boden gespritzt. Nun habe er auf der Leiche uriniert. Er habe Dano dann wieder angezogen, selbst ebenfalls seine Kleidung gewechselt und diese in einem öffentlichen Müllcontainer entsorgt.

Auf die Frage, warum er Dano getötet habe antwortete B. laut dem Zeugen: "Weil Dano Albaner ist. Er war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Wenn ein Albaner ermordet wird leiden ja schließlich alle Albaner mit".

K. und H. führten fortan immer wieder Gespräche mit ihm. 40-50 Gespräche seien es im Laufe der Zeit gewesen, kaum ein Gespräch hätte unter drei Stunden gedauert. Um ihn zu weiteren Details und Informationen zu bewegen stellten sie ihm in Aussicht, bald aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden, da man mögliche DNA-Spuren verschwinden lassen könnte. Im Gegenzug müsse B., wenn er wieder in Freiheit ist, für sie arbeiten und zwei Jahre lang kriminelle Organhandel-Kurierfahrten vom Iran nach Deutschland und zurück durchzuführen. B. fand gefallen daran und sagte zu. Die Gespräche wurden intensiver. Nicht zuletzt, weil K. und H. seinen Mord an Dano guthießen: "Klasse gemacht!".

Derart bestärkt wurde er immer offener und schilderte auch den Mord an Jenisa. Dieser sei geplant gewesen, da er die Familie seiner damaligen Lebensgefährtin M. leiden sehen wollte, denn diese seien für die ständigen Streitereien und auch der nachfolgenden Trennung von M. ursächlich verantwortlich. Er habe die Familie gehasst. "Mein Ziel ist es, die gesamte Familie der Reihe nach auszulöschen" habe er gesagt. Die erste geplante Tötung, das Opfer sollte Ferdi M. werden, sollte bereits 2006 erfolgen. Er sei mit Ferdi M. auf einen Sportplatz gefahren und hätte ein Messer dabeigehabt. Allerdings sei er vor der Tatausführung gestört worden, weil widererwarten Leute über den ansonsten ruhigen Sportplatz gingen.

Mit Jenisa sei er ein wenig herumgefahren um eine geeignete Stelle zu finden, wo er sie ermorden könne. Zunächst habe er in einer Pizzeria eine Pizza zum Mitnehmen gekauft und sei dann mit ihr an das Waldstück gefahren. "Ich habe nur ein Stück Pizza gekauft und ihr ein kleines Stück von meiner Pizza abgegeben. Sie sollte ja sowieso sterben, wieso also unnötig Geld ausgeben?" habe er geäussert.

Im Auto habe er ihr befohlen, sich auszuziehen. Als sie dies nicht wollte schlug er sie. Er habe sie dann vergewaltigt. "Es war das Geilste, was ich je im Leben erlebt habe" soll er gesagt haben. Er habe sie danach erwürgt und aus dem Auto in das nahe Gestrüpp gezogen. Da sie sich nach dem Erwürgen noch geregt habe nahm B. nach eigenen Angaben einen Baumstumpf und schlug so lange auf ihren Kopf ein, bis sie sich nicht bewegte. Anschließend bedeckte er ihre Leiche mit Ästen und Laub und fuhr nach Hause.

K. und H., die die Gespräche mit B. stets zusammen führten, fragten B. nun, ob er nicht Angst habe in den Fokus der Ermittlungen zu geraten, wenn er mehrere Menschen aus der Familie töten würde. B. habe geantwortet: "Ich habe 4 Töchter, da machts nichts aus, auf 3 zu reduzieren. Ich kann ja immer wieder neue Kinder machen!". Laut dem Zeugen K. sei er bereit, ein eigenes Kind zu töten, um als mutmaßlicher Verdächtiger dann in eine Opferrolle zu gelangen. Auf die Frage, welches seiner drei Mädchen er denn dann töten wolle, habe er geantwortet: "Die Älteste!".

Nun kommt es zu Tumulten im Gerichtssaal: Danos Mutter, die als Nebenklägerin ebenso wie ihr Mann anwesend war, springt auf und geht unter lautem Fluchen zunächst zur Tür. Sie drehte sich aber um und versuchte nun zu B. zu gelangen. Sie wurde von Justizbeamten daran gehindert, aus dem Gerichtssaal geführt und erlitt dort einen Weinkrampf. Nahezu zeitgleich versucht ein Familienmitglied aus der Zuschauerreihe durch Überwinden der Zuschauerbank zu B. zu gelangen. Auch diese Aktion wurde durch Polizeibeamte im Gerichtssaal verhindert und der Mann des Saales verwiesen.

Der Zeuge K. teilte mit, dass er bei allen Gesprächen Stichworte notiert und diese dann in seiner Zelle zu einem Geständnis zusammengeschrieben habe. Dieses Geständnis, so verkaufte man es B., sei eine Art "Sicherheit" für den Fall, dass B. seinen Verpflichtungen nach seiner Entlassung (sprich: seinem neuen Job als Organhändler) nicht nachkommen würde. B. unterzeichnete jede einzelne Seite und das Geständnis an sich. In der trügerischen Sicherheit, dieses Geständnis würde nie in die Hände der Polizei gelangen, da er ja bereits auf die Freiheit und seinen neuen Job freue.

Gegen 13.15 Uhr wurde nun der 2. Zeuge gehört: es handelt sich hierbei um den anderen Mithäftling namens  Manfred H. (49), der derzeit in der JVA Bielefeld in Haft sitzt. H. wurde ebenfalls zu den Äusserungen befragt, die B. in den zahlreichen Gesprächen mit ihm und K. geführt wurden in den Bezug auf die Morde an Dano und Jenisa. Die Schilderungen deckten sich mit denen des Zeugen K., wobei H. bezogen auf das Geständnis noch darauf hinwies, dass das eigenhändige Unterschreiben durch B. durch einen Beamten der JVA bestätigt werden könne. Dieser habe per Videoüberwachung den Vorgang beobachtet und H. danach darauf angesprochen, was B. denn dort alles unterschrieben hätte.

Der Zeuge H. befindet sich aufgrund der Schilderungen seither in psychologischer Behandlung und erhält entsprechende Medikamente. Er könne kaum mehr schlafen. Er sei selber Familienvater und es sei ihm sehr schwer gefallen, diese "Rolle" zu spielen.

Damit endete heute gegen 15.30 Uhr dieser Prozesstag. Am kommenden Montag werden die Plädoyers der Anklage und der Verteidigung erwartet.

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Prozessbericht vom 15.10.2014

Gegen 09.00 Uhr eröffnete der Vorsitzende Richter Korte die Verhandlung.
Erklärung B., verlesen von der Rechtsanwältin (hier: Gedächtnisprotokoll)
B. kam im Alter von 4 Jahren nach Deutschland und beschreibt seine Kindheit als problematisch und gewaltbetont seitens seines Vaters. Er habe ihn häufig mit einem Stock auf die nackten Fußsohlen geschlagen und früh gelernt, dass es schneller vorbei sei, wenn er nicht schreien würde. Das Verhältnis zu seiner Mutter bezeichnet er hingegen als liebevoll. Beide Elternteile sind mittlerweile verstorben.
B. besuchte die Grundschule in Hiddenhausen, schloss die Schule in der 8. Klasse ohne Abschluss ab und war zweimal sitzengeblieben. Er hatte mehrere Aushilfsjobs in einer Schlachterei, fiel bei verschiedenen Umschulungsmaßnahmen stets durch. Zuletzt arbeite er von 2002-2007 in einem Schlachthof.
2004 lernte er Ribanna M. kennen und zog nach kurzer Zeit mit ihr zusammen. Nach einer verbüßten Haftstrafe zog er wieder nach Herford und zeugte mit der M. insgesamt 5 Kinder. Eine angedachte Heirat scheiterte seinen Angaben zufolge an fehlenden Papieren.
Von Beginn an sei die Familie der M. gegen die Beziehung gewesen. Er habe mit der Familie häufig im Streit gelegen, vornehmlich wegen Geld. Auch Ribanna und er haben immer wieder Konflikte gehabt und es sei häufig zu verbalen Streitigkeiten gekommen. Letztlich habe sich die M. von ihm getrennt und sei mit den Kindern nach Steinfurt gezogen.
2-3 Tage hätten sie keinen Kontakt gehabt, dann habe B. mit ihr telefoniert, um sie zurückzuholen. M. weigerte sich und erklärte, die Beziehung sei definitiv beendet.
Am 14.03. habe es erneut ein Telefonat gegeben, in dessen Verlauf B. und M. darüber gesprochen hätten, wann sie ihre Sachen aus der gemeinsamen Wohnung in Herford abholen könne. Er habe gegen 14.00 Uhr erneut mit ihr telefoniert und im Verlauf des Telefonates heftig mit ihr gestritten. Er sei erregt, wütend, verwirrt und verzweifelt gewesen, als Dano gegen 15.00 an seiner Haustür klingelte. Dano habe ihn auch schreien und weinen sehen und ihn ausgelacht.
Er habe Dano nun den Mund zugehalten und ihm mit der rechten Hand mindestens 10 mal ins Gesicht geschlagen, er habe daraufhin am Mund geblutet. Damit ihn niemand hört habe er ihn nun in einen Bettbezug gewickelt und solange zugedrückt, bis er keinen Puls mehr fühlen konnte. Danach sei alles wie im Film abgelaufen. Er habe Danos Kopf nun mit einem Kabel an das Gestänge des Trolleys festzurren wollen, das Kabel sei allerdings gerissen.
Er habe Dano ursprünglich in der Nähe der Bahnschienen ablegen wollen, wurde dabei aber von einem zufällig vorbeifahrenden Radfahrer gestört. So habe er ihn einige Hundert Meter weiter am späteren Auffindeort abgelegt.
B. betont, kein Geständnis gegenüber seinen Mitgefangenen abgegeben zu haben. Vielmehr habe man ihm die diversen Blätter so zur Unterschrift vorgelegt, so dass er den Inhalt der Blätter nicht sehen konnte und darauf vertraute, dass es sich angeblich um diverse Schreiben für einen Mietvertrag und Anwaltskorrespondenz handelte.
B.´s Rechtsanwältin ließ Nachfragen zu dieser verlesenen Erklärung nicht zu.
Erster Zeuge: Herr Dr. Kager, 51j., Oberarzt der Rechtsmedizin Münster
Der Zeuge Dr. Kager berichtete aus dem Obduktionsbericht. Dano sei altersgerecht entwickelt gewesen. Todesursächlich war ein Erdrosseln, weiterhin wurde stumpfe Gewalt gegen den Hals angewendet. Der Hals wies ca. 5-7 mm breite Strangulationsmarken auf, es kam zu Erstickungsblutungen sowie ein Blutstauungssyndrom im Kopfbereich. Es wurde desweiteren ein Lungen- und Hirnödem diagnostiziert. Zwei Schneidezähne wurden aufgrund offensichtlicher Gewaltanwendung gelockert, ein Schneidezahn war ausgebrochen. Gefunden wurden weiterhin hellrötige Hautverfärbungenan Gesäß und Unterarm sowie pink-blaue Gummianhaftungen an Scheitel und Schläfe.
Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ob das Obduktionsergebnis den Aussagen zur Tat durch B. entspricht äusserte Dr. Kager: “Ich habe aber Befunde, die in den Aussagen B. fehlen”. Nun wurden die sichergestellten Asservate beurteilt. Das in B. sichergestellte Kabel psst in Länge und Durchmesser von 4-5 mm zu den Strangulationsfurchen, die Danos Hals aufwies. Die sichergestellten DNA-Spuren bieten nur einen schwachen Beweis, da sie nicht in ausreichender Menge vorhanden und eine biotechnische Überprüfung nicht mehr möglich sei. Abstriche an Danos Leichnam ergaben keine Spermaspuren und auch keine Fremd-DNA. Die Dauer der Strangulationshandlung bis zum Eintritt des Todes wurde mit ca 1-2 Minuten beziffert.
Zweiter Zeuge: Herr Dr. Porsendörfer, 46 J., Biologe u. Sachverständiger für DNA-Analysen des LKA
Mit dem Zeugen wurden die Asservate aus dem Lebensbereich des B. sowie von Dano erörtert. Hierzu wurden die umfangreichen DNA-Auswertungen besprochen. Der erste gefundene Trolley wies keine Zellspuren oder DNA-Spuren von Dano oder B. auf und schied somit als Spurenträger und Beweismittel aus. Auch am zweiten Trolley konnten weder an den Griffen, noch im Innenraum DNA sichergestellt werden.
Entsprechende DNA-Spuren von Dano und B. wurden allerdings an einer Kinderjeans der Größe 122, dem Kapuzenshirt, der Ikea-Tasche sowie an drei Bettbezügen sichergestellt werden. In einem Bettbezug fand sich ein gebrauchter Kaugummi, der die Gummianhaftungen an Scheitel und Schläfe von Dano erklären. An und unter den Fingernägeln von Dano wurde keine DNA von B. Sichergestellt. An einem sichergestellten, olivfarbenen Pullover B.´s wurden Blutspuren ermittelt, die aber nicht von Dano, sondern von einer weiblichen Person stammen.
Dritter Zeuge: Ribanna M., 28 J., Ex-Lebensgefährtin von B.
Eklat direkt zu Beginn der Vernehmung: Frau M. hatte gerade erst auf dem Zeugensessel Platz genommen und wurde zu ihren Personalien befragt, als sie quer zum Angeklagten herüberschaute, sofort wieder aufstand und den Gerichtssaal mit den Worten verließ: “Ich kann ihm einfach nicht in die Augen schauen”. Der Vorsitzende Richter bat nun den Zeugenanwalt, seine Mandantin wieder hereinzubitten. Nach kurzer Zeit betrat Frau M. dann auch erneut den Gerichtssaal.
Die 28jährige Hausfrau hat mit B. Zusammen 5 Kinder und ist kurz vor der Tat an Dano aus der gemeinsamen Wohnung an der Berliner Str. In Herford mit dem Kindern nach Steinfurt verzogen. Sie schilderte die Beziehung zu B. Wie folgt: “Ich war 10 Jahre lang mit ihm zusammen – und es war eine einzige Katastrophe. Ibo [so wurde der B. genannt, die Red.] hat mich oft geschlagen und auch vergewaltigt. Ich habe ihn mehrfach angezeigt, aber er bekam nur Bewährungsstrafen”.
Sie schilderte, wie sie ihre Sachen aus der einst gemeinsamen Wohnung abholen wollte. Der Zustand der Wohnung sei sehr dreckig gewesen. Ihr sei aufgefallen, dass der große Teppich im Wohnzimmer fehlte. B. erklärte ihr dazu, dieser sei durch eine umgestoßene Colaflasche dreckig geworden und befände sich daher auf dem Balkon. Der M. fiel auf, dass die Wohnung an sich unaufgeräumt und dreckig, der Boden aber offensichtlich frisch gewischt worden und sauber sei.
Frau M. gibt an, seit dem 01.03.2014 in Steinfurt zu wohnen. B. wollte ihren Angaben zufolge nach Steinfurt nachkommen, was sie allerdings strikt ablehnte, da die Beziehung für sie beendet sei. Am 14.03.2014 kam es dann zu einem Telefonat, in dem erneut darüber gestritten wurde. Erneut machte M. ihm klar, dass er keine weitere Chance von ihr erhalten werde. “Mach das nicht, sonst passiert was!” soll B. geäussert haben. Als M.  sich davon nicht beeindrucken ließ äusserte er nach ihren Angaben: “Ich drehe gleich durch, du altes Miststück!”
“Ibo war von Anfang an nicht normal. Immer, wenn er wütend war, machte er etwas kaputt: einmal zerstörte er sein Handy, ein anderes Mal zerstörte er mit einem Holzstil wie von Sinnen den hochwertigen LCD-Fernseher. “.
Das Gericht wollte nun wissen, wie das Verhältnis von M. Familie zu B. gewesen sei. M. berichtet, dass ihre Familie ihn nicht mochte, weil er Türke sei. Auch habe er das in Romakreisen übliche Brautgeld nicht bezahlt. Er wollte aufgrund von Geldmangel monatlich 150.- EUR zahlen, tat dies aber nur ein einziges Mal und danach nicht mehr. Als ein Streit mit der Familie wieder einmal eskalierte drohte B.: “Ich werde noch Trauer in die Familie bringen. Und wenn ich wieder draußen bin dann mache ich euch alle fertig!”.
Nun wollte die Rechtsanwältin B.´s der Zeugin einige Fragen stellen, was diese kategorisch ablehnte. Vom Gericht ermahnt äusserte sie sich nur zögerlich und nicht inhaltsvoll zu Nachfragen. Immer häufiger sagte sie nun, sie wisse dies oder das nicht mehr. Auch die Tatsache, dass sich die älteste Tochter H. Nicht mehr von B. von der Schule abholen lassen wollte. M. habe aber nie nachgefragt, warum dem so sei – und falls doch, dann habe sie das wohl inzwischen vergessen.
Ob sie sich vorstellen könnte, dass B. sexuelle Absichten mit Kindern haben könnte verneinte sie. Nein, das könne sie sich eigentlich nicht vorstellen. Zumindestens nachts kann es aber ihrer Meinung nach nicht zu Übergriffen gekommen sein, da B. im Wohnzimmer und M. mit den Kindern im Ehebett geschlafen habe.
Der ansonsten sehr gefasste, fast schon cool wirkende B. fing während der Zeugenaussage der M. immer wieder an zu weinen und wischte sich mit dem Taschentuch verstohlen die Tränen aus den Augen. Nachdem M. den Zeugenstand allerdings verlassen hatte schaute er wieder stur vor sich hin und zeigte keinerlei Gefühlsregungen mehr.
Vierter Zeuge: Herr KHK Wittopp, 58 J., Leiter der Mordkommission Dano
Herr Wittopp berichtet darüber, dass nach der Öffentlichkeitsfahndung nach Dano rund 400 Hinweise aus der Bevölkerung eingegangen seien, die systematisch abgearbeitet wurden. Durch einen Zeugenhinweis geriet B. sehr schnell in den Fokus der Ermittlungen, da auch der Vermisstenfall Jenisa nun wieder eine Rolle spielt. B. saß wochenlang in Untersuchungshaft, weil er als Täter galt, die Tat konnte ihm aber nicht nachgewiesen werden, da zu dem Zeitpunkt Jenisas Leiche noch nicht gefunden wurde.
Es wurden die zeitlichen Abläufe und Observationsergebnisse mit der Faktenlage abgeglichen. Schließlich wurde B. festgenommen und legte ein Geständnis ab.
Fünfter Zeuge: Polizeibeamter G., 43 J., Mordkommission Dano
Der Polizeibeamte wurde, wie im ersten Termin sein Kollege F., zu der ersten Vernehmung B.´s nach seiner Verhaftung befragt. Die getroffenen Aussagen decken sich mit denen seines Kollegen F., so dass die Zeugenvernehmung keine neuen Erkenntnisse brachte.
Gegen 15.00 Uhr fand dieser 2. Prozesstag sein Ende. Morgen geht es weiter.

Mittwoch, 1. Oktober 2014

Prozessbericht vom 01.10.2014

Unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen begann heute morgen um 09.00 Uhr vor dem Schwurgericht des Landgerichts Bielefeld der Mordprozess gegen Ibrahim B. dem vorgeworfen wird, den damals 5jährigen Dano K. ermordet zu haben.

Die Anwältin des Angeklagten B. stellte gleich zu Beginn den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zum 15.10.2014, da ihr aktuelle, weitere Ermittlungsergebnisse nicht rechtzeitig zugegangen wären und eine Verteidigung so unmöglich wäre. Das Gericht zog sich sodann zur Beratung zurück und lehnte den Antrag per verkündetem Beschluss ab. Sie stellte nun einen weiteren Antrag, denn der erste geladene Zeuge, ein Kripobeamter, solle nicht vernommen werden. Auch dieser Antrag wurde nach kurzer Beratung zurückgewiesen. Vom Gericht befragt, ob ihr Mandant heute aussagen wollte teilte sie mit, dass für den 2. Verhandlungstag eine Stellungnahme geplant sei.

Als erster Zeuge wurde nun der 53jährige Kripobeamter gebeten, die Festnahme von B. sowie die erste Vernehmung im Polizeigewahrsam sowie das Verhalten von B. zu schildern. B. habe mit sich gekämpft, teilweise habe er Tränen in den Augen gehabt. Er habe zunächst eingeworfen, dass ihm sein damaliger Anwalt aus Hannover (in Sachen Jenisa) geraten habe, bei der Polizei keine Aussage zu machen. Ein Impuls habe ihn aber dazu getrieben, eben doch auszusagen. Er schilderte dem Beamten seine Eheprobleme und sprach über ständige Streitereien. Dennoch habe er seine Lebensgefährtin wieder zurückhaben wollen. Es sei ein ständiges Hin und Her gewesen zwischen den beiden.

Am 14.03., dem Tag als Dano verschwand, habe er mehrfach mit seiner Lebensgefährtin, die ihn gerade wieder einmal verlassen hatte, telefoniert. Er sei frustriert gewesen. Nicht nur aufgrund der negativen Telefonate, sondern auch, weil er an diesem Tag bei einer Arbeitsagentur gleich zwei Absagen erhielt. Zu diesem Zeitpunkt klingelte Dano an seiner Tür um seinen Sohn G. zum Spielen abzuholen. Er wusste offenbar noch nicht, dass B.´s Lebengefährtin mit den Kindern längst ausgezogen war. B. antwortete schroff: "Verpiss dich!", hatte sich offenbar nicht unter Kontrolle und ohrfeigte Dano. Als dieser zu schreien begann und drohte, dies seinen Eltern zu erzählen, zog er ihn in die Wohnung. "Beruhige dich, komm runter! Schau Fernsehen!" soll er geäussert haben. In dieser Situation erfolgte ein weiteres Telefonat mit seiner Lebensgefährtin, die ihm unmissverständlich klar machte, nicht wiederzukommen. Dem Kripobeamten sagte er: "Ich dachte, mein Kopf zerspringt". Dano merkt offenbar, dass die Stimmung noch einmal brisanter wurde und versuchte daraufhin aus der Wohnung zu fliehen. B. habe ihn vor der Tür noch eingeholt, zurück ins Wohnzimmer gezerrt und ein herumliegendes Bettlaken fest auf sein Gesicht gedrückt, bis er nicht mehr atmete. Er habe dann eine Ikea-Tasche und einen Trolley aus der Abstellkammer geholt und Dano, eingewickelt in das Bettlaken, auf den Trolley gelegt. Dann sei er auf direktem Wege zur späteren Fundstelle an der Werre langgegangen, habe die verzurrte Tüte in das Gebüsch gelegt, nachdem er zuvor den Trolley in der Nähe der angrenzenden Eisenbahnbrücke ins Gebüsch geworfen hätte. Danach sei er, wie gewohnt, zum Boule-Spielen auf den Gänsemarkt und gegen 22.30 Uhr nach Hause gegangen. Morgens um 07.00 Uhr sei er dann von Nachbarn informiert worden, dass Dano verschwunden sei. Er sagte, er wisse von nichts.

Während dieser Schilderung bekommt ein älteres Familienmitglied einen Weinanfall und stößt wiederholt lautstark Beschimpfungen gegen B. aus, den das vollkommen unbeeindruckt lässt. Nicht ein einziges Mal schaut er auf, starrt nur stur vor sich hin. Die Verhandlung wird kurz unterbrochen und das Familienmitglied deutlich ermahnt und die Vernehmung des Kripobeamten kann weitergehen. Er berichtet von Strangulationsfurchen am Hals von Dano, die nicht von einem Bettlaken stammen könnten. An eine Strangulation könne sich B. aber nicht erinnern, er habe "nur zugedrückt".

Kurze Zeit später erhält das Kommissariat ein Fax aus der Justizvollzugsanstalt Bielefeld, in der sich B. nach seiner Verhaftung befand. Es gehe um den Vermisstenfall Jenisa. Zwei Mithäftlinge haben sich B. gegenüber als hochrangige Mitglieder der Organhandelmafia ausgegeben und gaukelten B. vor, ein involvierter  Rechtsanwalt sei in der Lage, Spuren beseitigen zu können. B. glaubte die Geschichte und erzählte Details zum Mord an Dano, die er den Ermittlern verschwiegen hätte. Er habe Dano mit einem Elektrokabel erdrosselt und auf dem Teppich gäbe es Blutspuren. Den habe er aber bereits auf dem Balkon der Wohnung entsorgt. Er begann über seinen abgrundtiefen  Hass auf die Familie seiner Lebensgefährtin zu sprechen, wollte ein Familienmitglied seiner Lebensgefährtin  sogar einmal mit dem Auto überfahren, habe von dieser Idee aber wieder Abstand genommen. Er wollte ein anderes Familienmitglied töten und lockte es auf einen Sportplatz; hier sei aber zuviel los gewesen, so dass er auch dieses Vorhaben abbrach. Er sei von unglaublichen Hassgefühlen gegenüber Albanern und Zigeunern wie zerfressen. Er habe Dano post mortem missbrauchen wollen und ihm bereits die Hose heruntergezogen, jedoch einen vorzeitigen Samenerguss gehabt und stattdessen auf den Leichnam uriniert.

Bei der Schilderung dieser Details bittet der Zeuge um eine kurze Verhandlungsunterbrechnung. Ihm und allen Anwesenden gehen diese Schilderungen sehr nahe und auch das Gericht ist sichtlich um Fassung bemüht. Nach einer 10minütigen Verhandlungsunterbrechnung wird der Beamte weiter vernommen:

Es wurde über die Motivlage gesprochen. Offenbar überwog zunächst der zwingende Wunsch zu töten um der Familie weh zu tun, die sexuelle Motivation sei wohl erst später hinzugekommen. Der Ermittler teilte nun mit, dass 31 Seiten an vermeintlichen Fakten seitens der Mithäftlinge bis zum 19.09. zurückgehalten worden seien, da es keine gewünschten Hafterleichterungen gab. Befragt, was für einen Eindruck B. während seiner Vernehmungen gemacht habe äusserte der Ermittler, er sei absolut ruhig, leise und sachlich gewesen. Nun wollte das Gericht erst einmal weitere Zeugen hören und baten den Ermittler, für weitere Fragen zur Verfügung zu stehen.

Gegen 11.15 Uhr wurde die nächste Zeugin in den Gerichtssaal gerufen: Danos Mutter.

Die 27jährige schilderte dem Gericht wie der Tag des Verschwindens aus ihrer Sicht verlief. Ihre Kinder seinen an diesem Tag nicht im Kindergarten gewesen. Sie sei mit Dano kurz in der Stadt zum Einkaufen gewesen, während sie nach der Rückkehr das Mittagessen vorbereitete wollte Dano noch ein wenig auf dem Spielplatz gehen, der sich direkt am Wohnhaus befindet. Ihm sei langweilig. Als er nach einiger Zeit nicht, wie vereinbart, zurückkam habe sie ihn zunächst auf dem Spielplatz gesucht aber nicht gefunden. Stattdessen sieht sie B. mit einer großen, blauen Tasche in Richtung Werreufer gehen, denkt sich aber nichts dabei. Sie bezeichnet B. dabei als "Teufel, Missgeburt" und wird vom Richter ermahnt, sachlich zu bleiben.

Nun kommt es erneut zu tumultartigen Szenen im Gerichtssaal. Das bereits verwarnte Familienmitglied wird ebenso des Saales verwiesen wie eine weitere Person, die wilde Drohungen gegen B. herausbrüllt. Da während der gesamten Verhandlung zwanzig Beamten von Justiz und Bereitschaftspolizei im Sall anwesend waren konnten weitere Ausschreitungen unterbunden und die Vernehmung fortgesetzt werden.

Das Gericht wollte sich nun ein Bild über die emotionale Situation von Danos Eltern machten und befragte dazu Danos Mutter: "Wie geht es Ihnen jetzt, wie kommen Sie mit dem Verlust klar?" Frau K. schildert unter Tränen, wie sie leiden würde: "Es ist, als sei es gestern passiert. Es tut einfach nur verdammt weh. In Kürze hätten wir eine Mutter-Kind-Kur angetreten und bald wäre Dano in die Schule gekommen.".

Nun erscheint der nächste Zeuge: ein Familienvater, der direkt über der Wohnung von B. wohnt und dessen Sohn ein guter Freund von Dano war. Er berichtete von ständigem Lärm und häufigen Streiteren aus der Wohnung des B. Dano hätte am Tattag bei ihm geklingt, um mit seinem Freund zu spielen. Da dieser aber nicht da war ging Dano wieder. Er habe nachfolgend aus der Wohnung des B. keine besonderen Geräusche gehört, sei aber auch mit einem Spiel beschäftigt gewesen, welches mit entsprechenden Hintergrundgeräuschen versehen sei. Insofern konnte der Zeuge leider nichts zum Tatablauf beitragen und wurde als Zeuge entlassen.

Als letzter Zeuge vor der Mittagspause wurde dann ein 60jähriger Herforder in den Gerichtssaal gebeten. Dieser hatte eine entscheidene Beobachtung machen können, denn er sah B. zirka zwischen 16.10 und 16.30 Uhr mit einem vollgepackten Trolli am Werreufer langgehen. Da ihm bekannt war, dass Dano als vermisst gilt hat er seine Beobachtung der Polizei mitgeteilt. Er schilderte, wie er mit Polizeibeamten die beobachtete Szene nachstellte und mit ihnen in die Stadt fuhr, um in den Kaufhäusern ähnliche Trolley-Modelle zu finden, damit man eine genauere Beschreibung dazu erhalte.

Es folgte eine einstündige Verhandlungsunterbrechnung - Mittagspause.

Um 14.00 Uhr wurde dann eine 41jährige Polizeibeamtin als Zeugin vernommen. Sie fand Dano und war als erste Beamtin vor Ort. Sie schilderte, wie sie im Gebüsch eine große, blaue Tasche fand, deren Tragegriffe fest verzurrt waren. Als sie mit zwei Stöckern das Objekt untersuchte stellte sie schnell fest, dass es sich schon alleine aufgrund des Gewichtes nicht um handelsüblichen Müll handeln könne. Desweiteren seien zahlreiche Fliegen aufgestiegen. Als sie vorsichtig mit den Stöckern die Verzurrung löste sei ein Fuß mit einem Schuh, wie ihn auch Dano auf den Fahndungsbildern trug, zum Vorschein gekommen. Sofort habe sie dann die Einsatzleitung verständigt, die umgehend mit Kriminaltechnikern und der Spurensicherung vor Ort erschien und das Fundgebiet weiträumig absperrte. Die Kinderleiche wurde nun zur Gerichtsmedizin gebracht, wo sie dann obduziert wurde.

Anhand der Obduktionsergebnisse fand nun eine Hausdurchsuchung bei B. statt. Konkret suchte man insbesondere nach einem Zahn oder Zahnfragmenten sowie nach einem möglichen Strangulationswerkzeug. Es wurden unter anderem zwei Antennenkabelfragmente gefunden, eine Mütze mit Sehschlitzen und auch ein Pullover mit dunkelbräunlichen Anhaftungen. Weiterhin wurde ein zahnähnlicher Gegenstand gefunden und auch benutzte Kondome im Wohnzimmer als auch im Kinderzimmer. Die Wohnung wurde daraufhin amtlich versiegelt.

Gegen 14.30 Uhr wurde dann ein weiterer, 59jähriger Ermittler des Kriminalkommissariats vernommen. Dieser berichtete über die Vernehmung von Danos Eltern sowie den weiteren Veranlassungen aufgrund der aufgefundenen Gegenstände in B´s Wohnung. Insbesondere aufgrund des Fundes von gebrauchten Kondomen im Kinderzimmer holte man Auskünfte beim Jugendamt der Stadt Herford ein, um etwaige Auffälligkeiten zu überprüfen.

Hier wurde von immer wiederkehrenden Gewaltausbrüchen des B. berichtet und ebenfalls darüber, dass einem seiner Kinder einmal ein Arm gebrochen wurde. Angeblich sei dies ein Unfall gewesen. Auch über Verhaltensauffälligkeiten von zwei seiner Kinder, H. (w.) und G. (m.) wurde berichtet. Diese berichteten von Doktorspielen, die sie mit B. spielen würden. H. habe danach immer Bauchschmerzen gehabt. G. stellte offensichtlich sexuell andeutende Praktiken mit zwei Puppen nach. Bei beiden Kindern ließ sich der Verdacht auf sexuellen Missbrauch nach einer angeordneten körperlichen Untersuchung aber nicht erhärten.

Der Beamte schilderte weiterhin noch seine Eindrücke zu B., der zwischenzeitlich von einem mobilen Einsatzkommando (MEK) observiert und letztlich festgenommen wurde: er habe teilnahmslos reagiert, als ihm eröffnet wurde, als Verdächtiger zu gelten.

Als letzter Zeuge für den heutigen Tag trat gegen 15.15 Uhr erneut der bereits zu Beginn verhörte Kriminalbeamte in den Zeugenstand. Es wurden mit ihm am Richtertisch diverse Lichtbildvorlagen erörtert und er äusserte sich noch zu seinen Erkenntnissen als Tatortbeamter nach dem Auffinden des Dano. Es sei ein spärliches Spurenbild gewesen, ausser dem eigentlichen Fund seien keine weiteren, verwertbaren Spuren sichergestellt worden.

Gegen 16.00 Uhr endete dieser sehr emotionale und aufwühlende Prozesstag. Das Gericht wies darauf hin, dass geplant sei am dritten Prozesstag (16.10.) die beiden Mithäftlinge des B. zu vernehmen. Der zweite Prozesstag wird am 15.10.2014 stattfinden.